Auszug: Katalog, „6. biennale der Zeichnung, strich um strich“, Kunstverein Eislingen
Unter den Händen von Erwin Holl entstehen poetisch gestimmte Zeichnungen. Seine linearen Strukturen befragen den Raum, unterstützt von einer luziden Farbigkeit: In wohldosierter Balance komponiert Holl freie Formen mit Tusche und Bleistift, wasserlöslichen Stiften und Aquarellfarben auf dem Papier. Man könnte es auch so sehen dass diese Formen: gerade, balkenförmige Strecken und suchend über das Blatt irrende Striche um die vorrangige Position rivalisieren.
Erwin Holl studierte Kunst und Kunstgeschichte, weiß also sehr wohl auch theoretisch um die Bildwirkung der Zeichen. In seiner Malerei wie in den Zeichnungen konfrontiert er oft figurative Momente mit einer abstrakten Sprache, sieht aber auch die Relativität gegenständlicher Motive für die Kunst. Der vielfach ausgezeichnete Künstler legt sich hier keinerlei inhaltliche Fesseln an. Besonders die neueren Arbeiten auf Papier, so Holl, „sind weniger dinghaft (weniger Natur, Figur, Maschinen/teile – von Menschen produzierte Dinge – etc.), auch weniger malerisch. Freilich kommt der Betrachter, der die früheren figürlichen und sachlichen Anspielungen vor Augen hat, nicht umhin, „an Dingliches erinnert (zu) sein. Und in der Tat versteht der denkende Zeichner eine Linie als konkret: „Zeichnen ist wie einen Gedanken festhalten, wie eine spontane Bildidee verdinglichen. Dies wird dann weitergedacht, andere Ideen gesellen sich dazu, und formulieren am Ende ein Statement, einen bestimmten Sachverhalt. Die Geste ist unmittelbarer (gegenüber meiner Malerei), vom Materialaufwand geringer und daher direkter. Die Reaktion kann spontaner, unmittelbarer erfolgen. Wobei auch eine Papierarbeit durchaus etliche Wochen bis zur ´Fertigstellung` in Anspruch nehmen kann, da auch die Zeit in den Prozess mit einbezogen wird.“ Seine jüngeren Bilder nennt er lapidar „Faltung“, als würden die abstrakten Zeichen in ihrer scheinbar zerknüllten oder zusammengelegten Form Gestalt annehmen.
Günter Baumann
Kunstverein Eislingen
In: Katalog, „6. biennale der Zeichnung, strich um strich“