1994 Andreas Junker

Stuttgarter Zeitung, 2.8.1994

Hüftststeak auf Grill

Die Ausstellung „Netzwerk“ mit Arbeiten von Erwin Holl wurde bis zum 13. August verlängert. Der Sechsunddreißigjährige, der aus Abtsgmünd stammt und an der Stuttgarter Kunstakademie studierte, wird als Villa-Massimo-Stipendiat im Herbst sein Quartier in Rom beziehen. Auf den Wänden der beiden Stockwerke erstreckt sich großflächig ein Netz von Streifen. Im Untergeschoss hat Holl mit breitem Pinselstrich und grauer Farbe das Straßensystem im Zentrum Roms skizziert, am oberen Ende begrenzt durch kleine schwarze Vierecke, die wie die Perforation bei einem Filmstreifen wirken.. Dazwischen läuft auch tatsächlich ein Film ab. Drei Stunden lang wird der Blick aus einem Fenster gezeigt bei einbrechender Dunkelheit.

Personen im Raum im Fensterglas. Chromosomen aus Holz, ein großes und drei kleine Je länger der von Rupprechter gedrehte Film dauert, um so deutlicher spiegeln sich die nebeneinander, mit dunklen Bildern von Unfällen, Krieg oder Pornografie überzogen, und eine Tafel mit einem ganzen Chromosomensatz ergänzen die Szenerie. Die Dreierkombination von Chromosomen, die hier auftaucht, zeigt eine krankhafte Entwicklung an.

Im Obergeschoss stellen die wirren roten Linien die City von Berlin dar. Ungewohnt angeordnet in diesem System sind kaum erkennbare dunkle Bilder von Industrieanlagen, Viehtransporten und pornografischen Szenen. Die Stadt und die Gesellschaft wirken in Holls Szenerie als Moloch, der den Menschen auffrisst.