SWR-Galerie zeigt Erwin Holl
Schöne Aussichten
Eine seiner Ausstellungen nannte Erwin Holl vor einigen Jahren „Vom einen im anderen“. Das war und ist Programm. Malerei ist für den Stuttgarter Künstler etwas buchstäblich Verbindliches. Als Medium, das Zeit braucht und die Möglichkeit hat, sie sich zu nehmen, ist ihr Vielschichtigkeit absolut gemäß.
Rein äußerlich zeigt sich Holls episches Kunstverständnis in der Wahl seiner Technik. Er kombiniert Acryl, Eiöltempera und Öl mit Silikon und Bleistift auf Leinwand und gestattet sich für diese Materialschlachten ausgedehnte Schauplätze, also große Formate. Trotzdem wirken die zwölf Gemälde, die unter dem Titel „Belvedere“ in der SWR-Galerie gezeigt werden, nicht überladen. Wie bei filmischen Überblendungen schieben sich mehrere Realitätsebenen in- und übereinander, tun das aber diskret: Übermalte Partien lassen Gewesenes nur ahnen und räumen das Feld jenen Teilen im Bild, die mit klarer Zeichnung oder starker Farbe mehr Präsenz beanspruchen. Selten geht etwas ganz verloren. Mit Silikon ausgeführte Linienstrukturen behaupten sich, weil plastisch erhaben, auch dann, wenn sie vollständig übermalt sind. Im Übrigen konkurrieren technische Aggregate, Maschinenteile, Produktionsstätten mit organischen Gebilden. Die beiden „Irrlichter I und II“ ergänzen einander zu einem vollständigen Gebiss mitsamt den Wurzeln der 32 Zähne. Ergo: kein bisschen Zahnfleisch. rv
Neckarstraße 230. Bis zum 27. Oktober. Mo bis Fr 17 bis 20 Uhr.
Rainer Vogt
In: Stuttgarter Nachrichten, 15.09.2005